Pflichtverteidigung

Speziell regelt die Strafprozessordnung die Frage der notwendigen Verteidigung, d.h. die Benennung der Fälle, in denen dem Betroffenen ein Pflichtverteidiger an die Seite zu stellen ist.

Gegenüber dem Erwachsenen-Strafverfahren nach der StPO weitet das JGG die Fälle notwendiger Verteidigung geringfügig aus.

Ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn

  • die Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht oder Landgericht stattfindet.
  • dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird. Ein Verbrechen ist eine Straftat, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist.
  • das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann. Hierbei handelt es sich um eine Maßregel der Besserung und Sicherung. In Betracht kommt ein Berufsverbot dann, wenn die Straftat unter Missbrauch des Berufs oder Gewerbes begangen wurde. Ferner kann ein Berufsverbot auch dann in Betracht kommen, wenn die Straftat unter grober Verletzung der mit dem Beruf oder dem Gewerbe verbundenen Pflichten begangen wurde. Grundsätzlich muss das Berufsverbot bereits in der Anklageschrift aufgeführt sein. Ein späterer Hinweis ist jedoch auch möglich. Liegt ein Berufsverbot nahe, dann liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor.
  • der Beschuldigte sich mindestens drei Monate auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird. Hierzu gehören alle Arten von Haft, wie zum Beispiel die Strafhaft. Auch die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt fällt hierunter. Wen der Angeklagte daher bereits seit mehr als drei Monaten eingesperrt ist und nicht spätestens zwei Wochen vor der Hauptverhandlung entlassen wird, dann handelt es sich um einen Fall der notwendigem Verteidigung. Nach neuer Rechtslage ist im Falle der Untersuchungshaft die sofortige Mitwirkung eines Verteidigers notwendig.
  • zur Vorbereitung eines psychiatrischen Gutachtens, zur Durchführung eines Sicherungsverfahrens und wenn der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung des Gerichts von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist.

Bei den oben genannten Fällen handelt es sich in der Regel um eindeutige Fälle. Von den meisten Gerichten wird in solchen Fällen ohne größere Probleme das Vorliegen der Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung bejaht.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann der vorsitzende Richter jedoch auch in allen anderen Strafsachen die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung feststellen.

Hierzu muss entweder die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage Anlass bieten.

Die Schwere der Tat beurteilt sich hauptsächlich nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung. Geht das Gericht davon aus, dass dem Angeklagten im Falle der Verurteilung eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr droht, so liegen die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung meistens vor.
Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung auch vor, wenn der Angeklagte unfähig ist, sich selbst zu verteidigen. Dies kann von seinem Gesundheitszustand oder seinen geistigen Fähigkeiten abhängig sein. Aber auch bei einem Ausländer, der mangels ausreichender Deutschkenntnisse Verständigungsschwierigkeiten hat, können möglicherweise die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung aus diesem Grund vorliegen.

Bei Jugendlichen außerdem:

  • bei Entzug der prozessualen Rechte von Erziehungsberichtigten;
  • bei drohender Unterbringung zwecks Begutachtung;
  • bei Vollstreckung von Untersuchungshaft bei Betroffenen vor Vollendung des 18. Lebensjahres.

 

Darüber hinaus sollte eine Beiordnung beantragt werden und in der Regel erfolgen:

  • wenn ein Heranwachsender sich in U-Haft sich befindet;
  • wenn die Verhängung von Jugendstrafe droht;
  • wenn Anklage zum Jugendschöffengericht erhoben wird;
  • bei folgenreichen vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen.

 

Übrigens: Einen Pflichtverteidiger kann man grundsätzlich frei wählen.